© Christine Reiterer

Aufregung um Kanonen im Arsenal

Die Aufregung um die vor den Kanonenhallen aufgestellten Kanonenrohre hat die Medien erreicht. Im Falter und W24 gab es dazu Beiträge. Der Standard berichtet über die Neuausrichtung des HGM.

Die Waffen nieder!

Viktoria Klimpfinger schrieb im Falter-Newsletter vom 3. Oktober 2025 folgendes:

Im Arsenal stehen seit einigen Wochen Kanonen auf der Wiese: Anrainer protestieren. Was ist da los?


Guten Morgen!

Waren Sie schon einmal im Arsenal? Vielleicht beim Mittelalter-Christkindlmarkt, im Heeresgeschichtlichen Museum oder im Rahmen des ImpulsTanz-Festivals? Das Gebäude-Ensemble aus Ziegelbauten und Parkflächen liegt etwas abgeschottet zwischen Landstraßer Gürtel und Hauptbahnhof, gerade noch im 3. Bezirk. Zwischen rauschenden Hauptverkehrsadern ist die Stimmung hier eigenartig schläfrig. Und dann doch auch wieder nicht. 

2003 hat der Staat 3.900 Wohnungen der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) an Private verkauft, darunter auch Liegenschaften im Arsenal. Das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) und die Flächen drumherum sind nach wie vor in Besitz des Verteidigungsministeriums und damit des Bundes. Das Museum stand in den vergangenen Jahren immer wieder in der Kritik – besonders, was seine mangelhafte Aufarbeitung der NS-Zeit, aber auch seine Verankerung im Verteidigungsministerium und damit verbundene verstaubte Organisationsstrukturen angeht (Falter-Berichte finden Sie hier und hier). Und jetzt, um es mit Wolf Haas zu sagen, ist schon wieder was passiert. Warum einige Anrainerinnen und Anrainer auf die Barrikaden gehen, erfahren Sie gleich.

Kanonen unter freiem Himmel

Seit Februar wird das Heeresgeschichtliche Museum saniert. Nun sind historische Kanonen auf eine Wiese gewandert und Anrainerinnen gehen auf die Barrikaden. 

Zurzeit wölben sich ausgehobene Erdmassen vor dem Heeresgeschichtlichen Museum (HGM). Der Vorplatz ist aufgerissen, Bagger zuckeln über das Gelände, Rohre stapeln sich. Das HGM wird saniert, inklusive Vorplatz. Und mittendrin, zwischen Erdreich und Parklandschaft, stehen Dutzende historische Kanonen unter freiem Himmel. Sie grenzen an die Artilleriehallen, in denen ebenfalls Kanonen ausgestellt sind. Einige Anrainerinnen sind alarmiert. Ungefähr 1.000 Menschen wohnen auf dem rund 40 Hektar großen Areal im Arsenal. 

Eine von ihnen schreibt dem Falter.morgen von „Fassungslosigkeit und Zorn”, der sie nachts kaum mehr schlafen lasse. Eine andere sieht die Versiegelung des Fundaments, das für die Freiluft-Kanonen gebaut wurde, sowie das offene Präsentieren von Kriegsgerät generell kritisch – „im Angesicht der unsicheren Weltlage”. Die Rede ist von „Kriegsschrott”. Man würde aus dem Fenster und direkt in Kanonenläufe schauen. Außerdem seien für das Fundament Wiesenfläche versiegelt und Büsche gerodet worden.

Georg Hoffmann ist seit zweieinhalb Jahren Direktor des HGM. Die Sanierungsarbeiten, erzählt er dem Falter.morgen, seien noch vor seiner Zeit geplant worden. Dazu gehören sowohl Arbeiten im Innen- als auch im Außenbereich. Die Kanonen seien ursprünglich an der Mauer des Museums und unter der Dachrinne gestanden. Regen habe auf die „einzigartige Sammlung” mit „historischen Verzierungen aus aller Welt” getropft. Außerdem habe man die Kanonen sowieso entfernen müssen, um neue Rohre verlegen zu können. Manche kommen aus Gründen des Denkmalschutzes nach der Sanierung wieder zurück an ihren alten Platz, die anderen sollen dauerhaft neben den Artilleriehallen stehen bleiben. „Wir haben diese Kanonen verschoben samt Betonfundament und Versiegelung.” Die Versiegelung, so das Argument, sei also nur ein paar Meter weiter gerutscht. 

Laut Flächenwidmungsplan zählen die betreffenden Flächen als Parkschutzgebiet, das laut Wiener Bauordnung dem Anlegen von Gartenanlagen vorbehalten ist. Museale Bauten sind nur da vorgesehen, wo jetzt die Artilleriehallen stehen. Hoffmann verweist auf das Verteidigungsministerium als Bauherrn: „Ich weiß, dass es erhebliche Behördenverfahren gab und Absprachen mit der Stadt Wien getroffen wurden.” Er will künftig Info-Schilder aufstellen, die Kanonen „kontextualisieren” und die Fläche zu einer frei begehbaren Ausstellungsfläche machen. Darf er das? 

Anruf bei der Baupolizei (MA 37). Die kurze Antwort: Ja, er darf. Die etwas längere: Der Bau ist im März 2025 im Zuge der Sanierungsmaßnahmen bewilligt worden, und zwar bis „auf jederzeitigen Widerruf”. Hier kommt der umstrittene Paragraf 71 der Bauordnung zum Tragen, nach dem Bauwerke zu vorübergehenden Zwecken bewilligt werden können. Gedacht ist er für Fälle wie den des Parlaments, das sein Ausweichquartier während der Sanierungsarbeiten vorübergehend am Heldenplatz aufschlagen musste. Umstritten ist er deshalb, weil es in der Vergangenheit bereits einige Fälle gab, in denen die betreffenden Flächen nachträglich umgewidmet, die Bauwerke also dauerhaft legitimiert wurden. Wir erinnern uns etwa an die Sport & Fun Halle im 2. Bezirk (hier haben wir darüber berichtet). 

Ob das auch im Fall der Kanonen passiert, bleibt abzuwarten. Im aktuellen Planentwurf, der einige Umwidmungen im Areal des Arsenals im Zuge eines neuen Stadtteilentwicklungskonzepts vorschlägt, ist die Fläche, auf der die Kanonen stehen, nach wie vor als Parkschutzgebiet eingezeichnet. 

Die Kanonen dürfen also, zumindest bis auf Weiteres, bleiben. Heute Nachmittag findet eine Begehung statt, bei der Hoffmann den Bewohnerinnen und Bewohnern seine Pläne präsentieren will. Zum Beispiel soll eine Hecke die Sicht auf die Kanonen dämpfen. Das HGM habe inzwischen sogar einen eigenen Gärtner angestellt, um die Grünräume besser zu pflegen. Ob damit genug Gras über die Sache wächst?

Am Montag lesen Sie im zweiten Teil des Artikels, wie es mit dem HGM und dem Arsenal generell weitergehen soll.

Beitrag W24, 02.10.2025, Andreas Liberda

Landstraße: Umbau im Arsenal
Die Grünanlagen innerhalb des Arsenals beziehungsweise beim Heeresgeschichtlichen Museum wird derzeit umgestaltet. Die Bauarbeiten sind im vollen Gang. Für die Dauer der Arbeiten wurden die Ausstellungsstücke im Freien, wie etwa historische Kanonen oder alte Draken-Kampfflieger umgeparkt.

Beitrag Der Standard, 08.10.2025, 14:57, Paul M. Horntrich

Weg vom Uniformfetisch: Die Neuausrichtung des Heeresgeschichtlichen Museums

Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien richtet sich neu aus. Über historische und aktuelle Konflikte soll der Wert von Frieden unterstrichen werden